Open Innovation: Innovationen fallen nicht vom Himmel
Wer über Globalisierung und Demografie, Nachhaltigkeit und Vielfalt nachdenkt, kommt automatisch zu der Erkenntnis, dass es ohne „open innovation“, also ohne interdisziplinäre, branchenübergreifende Vernetzung heute nicht mehr geht. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist hier Vorreiter: Architekten lenken bei Bauprojekten um die 20 verschiedenen Gewerke. Im Theater vermitteln Regisseure sogar zwischen 50 verschiedenen Berufsgruppen: Kunst und Marketing, Verwaltung und Organisation, Handwerk und Technik. Vermitteln und Querdenken ist für Akteure der Kreativbranche Tagesgeschäft und erfordert eine hohe soziale und kommunikative Kompetenz. Davon kann die klassische Wirtschaft profitieren. Künstler kennen keine Routinen, am Anfang steht immer das „weiße Blatt“. Was sie schon geschaffen haben, wird hinterfragt, um Neues schöpfen zu können.
Themenfelder für interdisziplinäre Projekte
Bisherige Kooperationsprojekte zwischen klassischer Wirtschaft und Kultur- und Kreativbranche verliefen vielversprechend – zu Themen wie Industrie 4.0 und Digitalisierung, Design und Produkterweiterung, Marketing und Kommunikation, Logistik und Kundenservice, Strukturwandel und Mitarbeiterführung, Nachhaltigkeit und Diversity. Von den Impulsen der Kreativbranche können Unternehmen nur profitieren und so neue Herausforderungen meistern. Andreas Heyer, Vorsitzender Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bremen, findet, dass Unternehmen viel zu selten über den Tellerrand schauen: „Ein Absolvent aus der Kulturwirtschaft sieht die IT-Branche aus einem ganz anderen Blickwinkel als eine IT-spezifische Beratungsagentur. Das ist der große Mehrwert, dass hier andere Denkmuster zum Tragen kommen.“
Kreativität ohne Feierabend
Wenn klein- und mittelständische Unternehmer über die Zusammenarbeit mit Künstlern und Kreativen berichten, schwingt immer viel Anerkennung und Begeisterung mit – über die Ernsthaftigkeit und den Biss der Kreativen bei der Bewältigung eines Problems. Kreative schauen nicht auf die Uhr. Sie testen Ideen und Alternativen so lange, bis sie die Herausforderung geknackt haben. Auch wenn sie nicht mehr am Schreibtisch sitzen, suchen sie im Kopf weiter nach Lösungen.
Kontaktanbahnung
Noch sind es meist die Kreativen, die Kontakt zu den Unternehmen suchen, um alternative Denkmuster anzubieten. Doch Kaltakquise ist schwierig. „Man braucht zunächst mal Vertrauen“, bestätigt Geschäftsführer Clemens Kreyenberg von der Kreyenberg GmbH. Bevor er zwei junge Künstlerinnen für eine kreative Intervention zum Thema „Mensch und Maschine“ in seine Firma holte, hatte er sie bei einer Veranstaltung der Initiative „Unternehmen! KulturWirtschaft“ am Nordkolleg Rendsburg kennen gelernt. Beim Stehbuffet war die Sympathie füreinander sofort da.
Begegnungsräume und Berührungsängste
Gebraucht werden Anlässe und Räume, in denen sich Unternehmer und Kreative in ungezwungener Atmosphäre auf Augenhöhe begegnen und austauschen können. Beide Seiten merken dann schnell, wie ähnlich sie sich in vielen Punkten sind: Auch Unternehmer denken und handeln kreativ. Auch Künstler bzw. Akteure aus der Kultur- und Kreativwirtschaft arbeiten professionell und zuverlässig.
Mit Kunst Bewusstsein für Innovation schaffen
Robert Kessler hat mit seinem Kunstwerk Yes to innovation die Bedeutung von Innovation veranschaulicht – im Auftrag des Unternehmens Roche Diagnostics. Der Standort in Penzberg ist weltweit der einzige, an dem das Unternehmen zugleich Forschung, Entwicklung und Produktion für Diagnostik und Pharma betreibt. Kessler führte viele Gespräche mit Mitarbeitern, um Struktur, Befindlichkeiten und Visionen im Unternehmen zu verstehen. Auf dieser Basis realisierte er „Yes to innovation“ – ein interaktives Kunstwerk, in deren Zentrum eine riesige, runde, begehbare Gleichgewichtsplatte versenkt ist. Oberhalb des Randes sind gegensätzliche Begriffe eingraviert, die Innovation entweder vorantreiben oder behindern: Freiheit, Offenheit und Vertrauen im Gegensatz zu Angst, Abwertung und Misstrauen. Je nachdem, wie viele Menschen auf der Platte stehen und sie austarieren, werden die Begriffe sichtbar. Am Außenradius befindet sich eine halbkreisförmig gebogene schwarze Stahlwand mit kleinen, runden beweglichen Spiegeln. Gemäß der Anzahl der Mitarbeiter im Unternehmen fangen sie das Sonnenlicht ein. Jeder hat hinter seinem Spiegel auf Papier eine persönliche Botschaft hinterlassen und wird somit Teil der neuen Schöpfungsgeschichte im Unternehmen.
Aufruf: Ihr Weg zur Zusammenarbeit mit der Kultur- und Kreativbranche
In jeder Stadt und jeder Region finden Sie Netzwerke und Verbundplattformen von Kreativen. Auch Wirtschaftsförderungen und IHKs kennen geeignete Vermittler bzw. Akteure. Die Wirtschaftsförderungen in Bremen und Dortmund haben für klein- und mittelständische Unternehmen Design- und Innovationslabors initiiert, in denen konkrete unternehmerische Fragestellungen von Kreativ-Teams interdisziplinär bearbeitet werden. Lassen Sie sich bei Ihren Herausforderungen von kreativen Querdenkern unterstützen! Was Sie in Ihrem Unternehmen vielleicht selbst nicht ergründen, entdecken kreative Spezialisten. Gehen Sie mit Vertrauen in den Kollaborationsprozess, haben Sie Mut für offene Ergebnisse.
Sie als Unternehmer können zu diesen interdisziplinären Think Tanks und Kreativ-Netzwerken Kontakt aufnehmen:
● KREATIVE DEUTSCHLAND: überregionales Netzwerk und Plattform, getragen von den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft, hier finden Sie Kontakte und Ansprechpartner zu regionalen Netzwerken der Kreativbranche: www.kreative-deutschland.de
● KULTURGILDE: Verband, Interessenvertretung und Plattform für Kreativnetze und Verbundprojekte der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland: www.kulturgilde.de
● Das INNOVATIONSLABOR – Virtueller Innovationsinkubator für technologiebasierte Verwertungs- und Geschäftsideen, Projekt von „Der Innovationsstandort e.V.“, koordiniert von der Stadt und der Wirtschaftsförderung Dortmund: www.das-innovationslabor.de
● Das BRENNEREI next generation lab ist ein Stipendiatenprogramm der WFB Wirtschaftsförderung Bremen. Kreative Nachwuchskräfte erarbeiten unter Anleitung von Experten und im Dialog mit ihren Auftraggebern aus der Wirtschaft oder öffentlichen Einrichtungen Grundlagen für neue unternehmerische Ansätze: www.brennerei-lab.de
• Die Initiative »Unternehmen! KulturWirtschaft« am Nordkolleg Rendsburg vermittelt und begleitet Interventionen mit Kreativschaffenden und Künstlern in Unternehmen zu einer konkreten unternehmerischen Fragestellung.
Weitere Quellen und Inspirationstipps:
● Filminterviews zur Künstlerischen Intervention „Mensch und Maschine“ mit Geschäftsleitung, Mitarbeitern und Künstlern bei der Kreyenberg GmbH von Antje Hinz: https://www.massivkreativ.de/mensch-und-maschine-flashmob-bei-der-kreyenberg-gmbh/
● Film über das Kunstwerk Yes to innovation von Robert Kessler
● Der US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler Henry William Chesbrough prägte den Begriff „Open Innovation“. Er leitet das Center for Open Innovation, Haas School of Business, University of California, Berkeley. Bücher zum Thema: Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology (HBS Press, 2003), Open Business Models: How to Thrive in the New Innovation Landscape (HBS Press, 2006), Open Innovation: Researching a New Paradigm (Oxford, 2006).
Eine Antwort zu “Open Innovation: Innovationen fallen nicht vom Himmel”
Interessanter Artikel! Ich finde neue Innovationen sind wichtig für unser soziales Umfeld, den so werden wir Individueller.