© Ute Zimmermann, Pixelio.de / MassivKreativ

Rettet Blockchain Kreativschaffende und ihre Wertschöpfungen?

Blockchain heißt übersetzt Block- bzw. Kasten-Kette. Mit dieser Technologie werden Dateninformationen bzw. Datentransaktionen auf vielen Computern in einem Netzwerk gleichzeitig gespeichert, wie in einem Register. Die abgespeicherten Transaktionen können im Nachhinein nicht mehr verändert werden. Der Erfinder der Blockchain nennt sich Satoshi Nakamoto, er oder sie hat sich allerdings noch nie öffentlich zu erkennen gegeben.

Wie arbeitet die Blockchain?

Jede virtuelle Transaktion wird in Datenblöcke unterteilt, die als identische Kopien parallel auf vielen Rechnern verteilt und gespeichert werden (Bitcoin Miners s.u.). Alle Blöcke enthalten eine verschlüsselte Information über die vorhergehenden Blöcke, daher der Name „Block-Kette“.

Sicherheit

Die Datenbank-Informationen sind für jeden einsehbar, jedoch verschlüsselt und daher fälschungssicher. Neue Eintragungen in die Blockchain müssen vom Teilnehmer-Netzwerk verifiziert werden. Versucht ein Teilnehmer seine Kopie der Blockchain zu verändern, würde das beim automatischen Vergleich mit den Kopien anderer Teilnehmer im Netzwerk sofort auffallen. Dennoch hat im März 2017 die US-Börsenaufsicht dem ersten Bitcoin-Fonds die Zulassung verweigert, die Risiken für Manipulation und Betrug u. a. durch Hackerangriffe seien derzeit noch zu groß. In Deutschland gibt es bisher noch kein reguliertes Wertpapier-Produkt mit einer Kenn-Nr. bzw. International Securities Identification Number (ISIN). In der Schweiz will in Kürze die Crypto Fund AG einen Fonds für Kryptowährungen anbieten (Juni 2017). 

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Blockchain für Geldtransfer

Die Blockchain-Technologie wird im Moment vor allem als digitales Kassenbuch genutzt, in dem virtuelles Geld über das Internet hin- und hergeschickt wird, direkt von einer Person zur anderen, ohne Banken, Finanzvermittler, Börsen oder Zwischenhändler. Der Transfer der sogenannten Kryptowährungen erfolgt dezentral, sekundenschnell und wegen fehlender Zwischenhändler nahezu gebührenfrei (ca 1% der Transfersumme). Die erste und bekannteste Kryptowährung ist der Bitcoin. Er wurde 2009 eingeführt und basiert auf der Blockchain-Technologie. Die „Bitcoin Miners“ sind unternehmerisch geführte Rechenzentren mit unzähligen Anteilseignern, die in einem peer-to-peer-Netzes darum konkurrieren, den nächsten Block von Bitcoins herstellen zu dürfen und Nachweise über Bitcoin-Transaktionen zu führen. Sie erhalten Bitcoins als Belohnung für erbrachte Rechenleistungen. China ist aktuell Vorreiter. Zur Zeit sind über 13 Millionen Bitcoins im Umlauf. Mehr als 21 Millionen sollen nicht hergestellt werden. Analog zum Goldbestand soll auch die gezielte Beschränkung an Bitcoins vor Inflation schützen.

Insgesamt soll es bis über 800 verschiedene Kryptowährungen geben, neben Bitcoin auch Ether (s.u.), Monero und ZCash. Der Wert der Währungen kann sich innerhalb kurzer Zeit auf den Krypto-Tauschbörsen rapide verändern. Bis Mitte des Jahres 2017 legte Ether z. B. um 3000 % zu, Bitcoin hingegen „nur“ um knapp 200 %.  MtGox ging 2014 pleite, BitFinex musste nach einem Diebstahl von 120.000 Bitcoins (ca 58 Mio. Euro) Anfang August 2016 den Betrieb vorläufig einstellen. Die wichtigste deutsche Handelsplattform ist bitcoin.de. Die Fidor Bank bietet ihren Kunden direkte Bitcoin-Konten und den Handel dazu an, dank Bafin sogar einlagensicherungsgeschützt im Falle einer Insolvenz von Bitcoin.de (Quelle: ntv).  

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Verbreitung und Nutzung von Bitcoins

Laut Branchenportal btc-echo akzeptieren weltweit bislang etwa hundert Unternehmen Bitcoins als Zahlungsmittel, im deutschsprachigen Raum nur an die zwanzig Firmen, u. a. der Frankfurter Onlineshop Keycoon für 3D-Drucker-Zubehör und 4electric, der Zulieferer von Ladezubehör für Elektroautos. In Berlin-Kreuzberg bietet die Science-Fiction-Buchhandlung Otherland Lesbares und die Burgerbar Room 77 Ess- und Trinkbares gegen Bitcoins an. Die Bitcoin-Firma Bitwala mit 12 Mitarbeitern (März 2017) transferiert inzwischen Bitcoins für 20.000 Kunden in 120 Ländern. Vor allem Löhne werden mit Bitcoins länderübergreifend kostensparend gezahlt. Die zukünftige Vision von Bitwala: Maschinen sollen Maschinen bezahlen, indem sie sich gegenseitig scannen. Seit 17. Juli 2017 kann man auf der deutschen Börse Tradegate mit Bitcoin handeln

Neue Anwendungsbereiche

Als besonders zukunftsträchtig gilt die Blockchain-Plattform Ethereum, entwickelt von Vitalik Buterin (seit 2013) sowie der schweizerischen Non-profit-Stiftung Ethereum Foundation im schweizerischen „Kryptovalley“ in Zug. Ethereum verwendet die Kryptowährung Ether, die im Mai 2017 eine Marktkapitalisierung von 12 Milliarden Dollar verzeichnete. Während Bitcoins lediglich Geldtransaktionen ermöglichen, können über die Ethereum-Plattformen verschiedene Vermögens- und Wertgegenstände ausgetauscht werden – über „smart contracts“. Daraus ergeben sich viele Anwendungen, u. a. für Versicherungen und FinTech, für Logistik, Verkehr und Energiewirtschaft, für die Sharing Economy, das Internet der Dinge und Industrie 4.0, für Datensicherheit und Transparenz, für Verwaltung und eGovernment, z. B. E-Voting-Systeme, virtuelle Organisationen, Identity-Management und Crowdfunding. 

Teilhabe und Nachhaltigkeit

Die Blockchain ermöglicht es, die Gesellschaft neu und vor allem dezentral zu organisieren, damit wir unser Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten können. Von den Gewinnen der Plattformökonomie könnten Kulturproduzenten und Urheber endlich in dem Maße partizipieren, wie es ihnen zusteht. Auch nachhaltiges Handeln lässt sich direkt belohnen. Wer bewusst und ökologisch einkauft, Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens mit anderen teilt und seinen Abfall recycelt, könnte mit digitaler Währung belohnt werden. 

 © Etherum.org

Beispiele für smart contracts

Mit „smart contracts“ sollen vor allem administrative Prüfvorgänge automatisiert werden, z. B. von digitalen Identitäten, Bonitäten, Kreditvergabe, Schadensforderungen, Versicherungen, Medienvertrieb. Inzwischen beteiligen sich eine ganze Reihe von Institutionen und Startups an Ethereum, u. a.  die Entwickler von slock.it im thüringischen Mittweida, RWE, Thomson Reuters, Santander Bank, Microsoft, J.P. Morgan und die dezentrale Organisation Bitnation, die traditionelle Staaten überflüssig machen will. Estland, in Digitalisierungsfragen und eGovernment besonders progressiv, nutzt Bitnation bereits seit Ende 2015. Auch Griechenland soll aktuell mit der Blockchain experimentieren, Korruption, Verschwendung, Betrug in Zukunft vermieden werden. Hinterlegte Codes in der Blockchain sollen garantieren, dass Steuergelder nur zweckgebunden ausgegeben werden dürfen. Die in Berlin lebende Wirtschaftsinformatikerin Shermin Voshmgir gründete den BlockchainHub Berlin und will mit der bahnbrechenden Technologie die Finanzbranche ebenso revolutionieren wie die staatliche Verwaltung (siehe Studie am Ende des Artikels).

Szenarien für Nutzer

Ethereum ermöglicht „smart contracts“, die z. B. für dezentrale Autovermieter und Energieerzeuger ebenso interessant werden könnten wie für Komponisten, Fotografen und Journalisten, mit positiven und negativen Szenarien. Hat ein Kunde die monatliche Lizenzrate für sein Auto nicht bezahlt, wird er den Wagen beim nächsten Fahrantritt nicht mehr starten können. Ein Auftraggeber für kreative Leistungen erhält dann Zugang zu urheberrechtlichen Werken,  wenn er die Produzenten in ausreichendem Umfang vergütet. Und wer auf dem Dach seines privaten Hauses Solarstrom erzeugt, kann die nicht verbrauchte Energie automatisiert in einem Netzwerk anbieten und verkaufen. „Blockchain verwandelt Daten zu Fakten“, sagt der Blockchain-Rechtsexperte Florian Glatz.

Chancen für die Kultur- und Kreativwirtschaft

Die Ethereum-Blockchain soll als eine Art „Vertrauensmaschine“ den Austausch von Wertschöpfungen revolutionieren, denn auch immaterielle Werte sollen verwaltet und auf neue Weise vergütet werden. Ethereum weckt daher besonders in der Kultur- und Kreativwirtschaft große Hoffnungen. Während die Produktion kreativer Werke in den letzten Jahren demokratisiert und damit kostengünstiger wurde, läuft der Vertrieb nach wie vor über zentralisierte Plattformen (youtube, audible, spotify, Netflix, Instagram, Facebook usw.). Von den Gewinnen und Werbeeinnahmen profitieren meist nicht die Kreativen, sondern die Plattform-Monopolisten selbst.

Von der Ethereum-Blockchain könnten endlich die kreativen Produzenten profitieren, indem über die neue Plattform z. B. Patente für Ideen und Lizenzen für schöpferisch-kreative Werke verwahrt, ausgetauscht und vergütet werden, z. B. Musik, Fotos, Bilder, Logos, Texte, Filme usw. Kreative Urheber und auch Künstler sollen ihren Anteil am Werk sofort erhalten, wenn es konsumiert wird und nicht, wie derzeit üblich, erst Monate später.

Herausforderungen für Ethereum

Kreative Werke bzw. Daten können in der Blockchain nicht verwahrt werden, lediglich Lizenzen lassen sich verwalten. Klar ist auch: Noch bleiben viele Fragen offen. Die aktuellen Marktanteile der bekannten Plattformen sind immens und nicht zu unterschätzen. Ethereum wird eine Menge in Marketing investieren müssen, um youtube und Co. die Stirn zu bieten. Doch jede Revolution hat einmal im Kleinen angefangen: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.“ (Margaret Mead, US-amerikanische Anthropologin und Ethnologin)

Unter Hochdruck arbeiten Forscherteams daran, die Blockchain resistenter gegen Hackerangriffe zu machen. Ein russisches Team soll derzeit ein unzerstörbares, verteiltes Datenspeichersystem entwickeln, das durch Quantenkryptographie-Methoden besser geschützt ist. In der Quantenkryptografie werden keine klassischen Bits wie Nullen und Einsen übertragen, sondern einzelne Quanten. Auch Quantencomputer greifen auf Quantenbits (Qubits) zurück. Diese können sich bei null oder eins, aber auch in einem Status dazwischen befinden. Ob die Quanten-Technologie bisherige Systeme überflügeln kann, muss sich noch erweisen.

Eine weitere Plattform ist IOTA, nach eigenen Angaben die erste öffentliche „Blockchain“, die skalierbar ist – mit dem Ziel, dass Maschinen untereinander Daten, Ressourcen und Services kaufen und verkaufen werden, siehe IOT = Internet der Dinge.

Blockchain-Aktivitäten von Kreativen

Großbritannien und USA: Musik

Benji Rogers gründete bereits 2009 in London PledgeMusic.  Mit seinem Team entwickelt er  ein neues Format für die Musikbranche, das sogenannte .bc-Format, basierend auf dem smart contract der Blockchain. In diesem Datenpaket, vergleichbar mit einer Zip-Datei, will er nicht nur den Musiktitel selbst, sondern auch weitere Metadaten speichern (MVD = Minimum Viable Data). Sie sollen zu Komponisten, ausübenden Musikern und weiteren Firmen führen, die an der Produktion beteiligt waren. Auch Nutzungsformen des Songs sollen hinterlegt werden, wer den Song zu welchem Zweck und zu welchem Preis verwenden darf.

Die britische Sängerin Imogen Heap und die Firma Ujo Music arbeiten an einem Prototypen auf Blockchain-Basis für die Musikindustrie. Ziel ist eine transparente und effiziente Form der Musiklizensierung. Gebühren für Künstlerlizenzen sollen anonym und in Echtzeit transferiert werden.

Inzwischen gibt es auch die ersten Blockchain-Musikfestivals – in San Francisco z. B. das crypto.ourmusicfestival, das Musik , Cryptowährungen und Blockchain-Technologie zusammenführen will. Es soll im Oktober 2018 stattfinden – an der University of California in Berkeley im Amphitheater des William Randolph Hearst Greek Theatre

Österreich: Kunst

Das Wiener Museum für Moderne Kunst (MAK) hat im Rahmen seines MAK NITE Lab im März 2015 ein Kunstwerk mit Bitcoins gekauft, geschaffen von dem niederländischen Künstler Harm van den Dorpel. Es wurde von den Künstlern Valentin Ruhry und Andy Boot auf ihrer kuratierten Plattform Cointemporary.com zum Verkauf angeboten – zu einem festen Bitcoin-Preis unabhängig von seinem aktuellen Wechselkurs. 

Zum unabhängigen Erfassen von Meinungen nutzt das in Österreich gegründete Unternehmen RAWR die Blockchain im Publishing Bereich. Inzwischen gibt es auch einen Standort in Hamburg. 

Deutschland: Rechte und Lizenzen

Das Berliner Startup BigchainDB bietet mit dem Dienst ascribe für Kunstwerke bzw. Musik im Internet ein digitales Wasserzeichen  an („Ownership Layer” / „Hash Key“). Bei der Registrierung eines Werkes vergibt ascribe eine eindeutige ID. Sie setzt sich aus dem jeweiligen Datenfile und der Identität des Urhebers zusammen. Alle Informationen über Kopien des Werkes und deren Verbreitung werden in der Bigchain gespeichert. Künstler können so per Mausklick die Rechte an ihren Kunstwerken verwalten und Musik, Texte, Bilder, Filme zeitlich befristet vermieten oder verkaufen. Der Dienstleister asribe erhält dafür eine Provision. Eine unerlaubte Verbreitung des Werkes kann bisher nicht verhindert werden, aber zumindest kann der Urheber und Eigentümer des Werkes nachverfolgt werden. Zu den ersten Nutzern von ascribe gehören der bereits erwähnte Künstler Harm van den Dorpel, außerdem Titanium Comics. 

Der deutsche Künstler Stephan Vogler möchte seine digitalen immateriellen Schöpfungen als Unikate vertreiben, via Bitcoins. Gemeinsam mit Kunstrechtsexperten hat er eine Lizenz für digitale Kunstwerke als limitierte und eigenständig handelbare virtuelle Güter entwickelt. Die Werke werden mit einer eindeutigen elektronischen Signatur versehen. Der Eigentümer ist in der Blockchain registriert. Die der Nutzungsrechte werden durch eine Transaktion über Bitcoins vergeben. So können nicht nur haptische, sondern auch digitale, nichtmaterielle Kunstwerke zu Sammler- oder Handelsobjekten werden.

USA: Patentschutz und Lizenzmanagement 

2014 gründeten die Künstler Anil Dash und Kevin McCoy die Plattform Monegraph, um Möglichkeiten der Blockchain für digitale Kunstproduktion auszuloten. Die Blockchains Proof-of-existence und Blockai wollen eine Art Patentschutz anbieten. Wenn Nutzer einen Betrag bezahlen, erhalten Sie einen Zeitstempel, ähnlich wie es schon digitale Bibliotheken beim Verleih  von Medien regeln.

Der Unterhaltungskonzern Disney experimentiert auf seiner Plattform Dragoncoin mit der Blockchain, um Erkenntnisse sowohl im Bereich Rechtemanagement (z. B. Filmlizenzen) als auch in seinen Unterhaltungsparks einzusetzen. Eine weitere Blockchain-Plattform für Kreative ist Binded.

Das Unternehmen Kodak, das die Digitalisierung gründlich verschlafen hat, ist mit einer neuen Idee an Fotoliebhaber herangetreten. Sie sollen ihre Bilder in einer Foto-Blockchain registrieren. Darin integriert ist die Währung KodakCoin, die den Nutzern das Lizenzieren der Fotos ermöglichen soll. Fotografen bzw. Urheber sollen auf diese Weise die volle Kontrolle über Ihre Werke behalten, vor allem darüber, wie und wo die Fotos verwendet werden.

Singapure: kreative Plattform

Die gemeinnützige Nonprofit-Stiftung Po.et arbeitet an einer Plattform, die geistiges Eigentum wie Texte, Fotos, Bilder oder Grafiken registrieren, verwalten und  handeln will. Eine erste Finanzierungsrunde soll dem Unternehmen kürzlich 10 Millionen Dollar eingebracht haben. Auch Kooperationen mit Magazinen sollen bereits bestehen. Po.et schreibt auf seiner Website: „Po. et ist eine universelle, offene digitale Buchführung (Ledger), die für die Erfassung von Metadaten und Informationen digitaler kreativer Vermögenswerte entwickelt wurde.“ Dank Blockchain-Technologie kann der Beweis für die Urheberschaft nachweislich in einer Datenbank verankert bzw. festgeschrieben werden, indem sie festhält, dass eine konkrete Information zu einem bestimmten Zeitpunkt in genau dieser Form existiert hat. 

Po.et plant darüber hinaus einen Marktplatz für kreative Freelancer. Sie sollen ihre durch Zeitstempel geschützten Werke, z. B. Fotos, Bilder, eBooks, Videos, Magazinen und anderen Verwertern kreativer Inhalten anbieten können. Po.et zeigt, dass es für die Blockchain auch jenseits des Finanzmarktes spannende Einsatz- und Anwendungsmöglichkeiten gibt.

Kanada: Musikplattform

Blockchain-Plattform für Musik: dotBlockchain

Micropayment

Die Idee ist nicht neu: Schon Internet-Pionier Jaron Lanier, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2014, fordert in seinem Buch Wem gehört die Zukunft, dass jeder Urheber über Micropayment mit Kleinstbeträgen honoriert wird. Dabei geht es nicht nur um kreative Werke, sondern auch um die Vielzahl derjenigen, die Informationen und Bewertungen an Plattformen liefern, wie Amazon, Apple, Alphabet/Google, Facebook, Dating-, Gastronomie- und Übernachtungs-Portale: „Wir sind daran gewöhnt, Informationen als ‚kostenlos‘ zu betrachten, aber das funktioniert nur, solange der Großteil der Wirtschaft nicht auf Informationen basiert, ansonsten würden wir für diese Illusion einen hohen Preis bezahlen.“ 

Grundeinkommen durch Ethereum-Blockchain

Die internationale Non-Profit-Kunstinitiative The.Art möchte über die Ethereum-Blockchain ein Grundeinkommen für Kunst- und Kulturschaffende generieren, jenseits von Spekulationen und einem risikoreichen Auf und Ab der Kryptowährungen. Initiatoren sind die britische Künstlerin Maris Palmi und der Changemanagement-Berater und Ökonom Chirt Koese. In einem Team mit weiteren Privatakteuren wollen sie ohne staatliche Hilfe einen autarken digitalen Kreislauf schaffen, der Werte und Gelder für das Gemeinwohl generiert. Mit Künstlern, Wissenschaftlern und digitalen Erneuerern soll in einem offenen Dialog ein sozio- ökonomischer Prototyp entstehen. „Wir Künstler bringen das spielerische, experimentelle Moment hinein“, erklärt Maris Palmi, „und wir sind froh, mit Chirt Koese einen Initiator zu haben, der sich mit ökonomischen Prinzipien auskennt und uns dabei hilft, zukünftige Technologien wie Blockchain nicht zu verschlafen, sondern sie im Namen der Kunst für möglichst viele aktiv zu nutzen“.

© The.Art

The Art hat Künstler dazu aufgerufen, Werke für die Ausstellungsreihe „Thoughts Become Art“ einzureichen, die 2016 in Oxfort startete, im Juni 2017 im Berliner Baumhaus mit über 30 Künstlern Station machte (Launching Luvcoin) und weiter nach Hongkong, London und New York zieht. Kuratorin Maris Palmi hat die Ausstellung zusammengestellt. Chirt Koese erklärt das weitere Vorgehen: „Wir wählen einige der ausgestellten Werke aus und kaufen sie dem Künstler mit den nagelneu gestalteten Luvcoinchecks ab“. Anschließend können sich gemeinnützige Organisationen, Universitäten oder Krankenhäuser, melden und sich um eine kostenlose Leihgabe der Kunstwerke bewerben. Die Künstler setzen die Preise für ihre Werke selbst fest. Koese: „Alles, was The.Art jetzt und zukünftig initiiert, passiert im geschützten Kreislauf, über den alle Akteure per transparenten Blockchain-Protokollen wachen.“

Noch kann der Künstler mit den Luvcoins keine Miete zahlen oder im Supermarkt einkaufen. Die Coins sammeln sich in Form eines digitalen Sparbuchs an, die später auf Tauschbörsen gegen andere Krypto-Coins oder traditionelle Gelder (FiatGeld: Euro, Dollar) getauscht werden können. So soll ein autarker Kreislauf im Handel mit Kunstwerken entstehen, deren Erlöse den Künstlern und sozialen Institutionen/Projekten zugute kommen.

 © Alfred Krawietz, Pixelio.de

Blockchain als Multi-Innovation

Die Blockchain wird der neue Megatrend werden, prophezeien Experten. Sie ist eine technologische, ökonomische und soziale Innovation zugleich, die zu einer Demokratisierung durch dezentrale Marktplätze führen soll.

Technologisch: Über Micropayments können Bezahlprozesse, Kreditvergabe, Versicherungen, Bonitätsprüfungen und Crowdfunding kostengünstiger und schneller abgewickelt werden. Automatisierte Vorgänge (Internet der Dinge und miteinander kommunizierende Maschinen) sichern Effizienz.

Ökonomisch: Smart contracts ermöglichen neue dezentrale Abwicklungs- und Verwaltungsprozesse. Niedrige Betriebskosten und disruptive Organisationsformen verändern bestehende Geschäftsmodelle und schaffen neue. 

Sozial: Strukturen werden demokratisiert, weil Monopole zentraler Vermittler entfallen. Vertrauen und Kontrolle werden Netzwerke und Gemeinschaften der Blockchain übertragen.

Forschung und Wissenschaft

Anfang 2017 wurde die IPDB Foundation (Interplanetary Database Foundation) gegründet. Sie verfolgt nach eigenen Angaben ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke  und will Wissenschaft und Forschung rund um das Thema Blockchain fördern. Laut Satzung soll es darum gehen: „Die Forschung an der Realisation und an Anwendungen der „Blockchain“-Technologie, insbesondere der Erforschung und Entwicklung dezentralisierter Organisationsstrukturen und der Umsetzung einer dezentralisierten Datenbankplattform, welche die dezentrale permanente Speicherung von Daten unabhängig von einer zentralen Instanz ermöglicht („Dezentrale Datenbank“). Die IPDB Foundation zielt darauf ab, jedermann Zugang zur Dezentralen Datenbank zu ermöglichen …“ (Satzung IPDB).

Quellen und weitere Informationstipps zum Thema:

2 Antworten zu “Rettet Blockchain Kreativschaffende und ihre Wertschöpfungen?”

  1. Saskia sagt:

    Hallo,

    sehr interessantes Thema und auch wirklich gut erklärt. Ich kenne mich eigentlich nicht mit solchen Thematiken aus, aber habe es doch verstanden – obwohl ich technisch eben nicht so affin bin. Allerdings habe ich eines noch nicht verstanden: wenn ich das Objekt verkaufe (angenommen, es ist ein Gemälde), dann verkaufe ich eben auch mein Urheberrecht und meine Nutzungsrechte. Also grundlegend gehört es ja dann einer anderen Person und dann kann ich es nicht mehr kontrollieren, was die macht. Wie gebe ich die Blockchain Lizenz weiter? Also mal ganz konkret. Um mein Studium zu finanzieren, verkaufe ich meine Kunst eben über Jakira (Infos: https://jakira.de/information/kunst-online-verkaufen ). Die reden auch schon länger darüber, dass das mit der Blockchain eingeführt werden soll. Aber angenommen, die kümmern sich nicht darum, wie mache ich es?
    Würde mich sehr über eine Antwort freuen!

    Saskia

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