VHS 2025 – Miteinander reden, lernen, wachsen
Lebenslanges Lernen ist gefragter denn je. Doch wie gelingt es, dass wir unser ganzes Leben lernbegeistert und neugierig bleiben? Das fragen sich die Volkshochschulen in Deutschland nicht erst seit der Corona-Pandemie und suchen – wie viele andere Bildungsinstitutionen auch – nach attraktiven und zeitgemäßen Angeboten. Die VHS Brunsbüttel hat Nutzer:innen direkt befragt, insbesondere jüngere Zielgruppen, im Rahmen von MITEINANDER REDEN, einem Programm zur Demokratieentwicklung der Bundeszentrale für politische Bildung.
Podcast-Interview mit Sonja Schukat
Wandel
In den letzten Jahren haben sich die Volkshochschulen in Deutschland stark gewandelt und viele neue Ideen und Angebote entwickelt. Die Digitalisierung hat Einzug gehalten sowie neue Kurse zu Sprachen, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Medien. Die Vielfalt der VHS-Kurse lebt von den Dozenten, sie sind das Herzstück, ohne sie läuft nichts. „Doch ohne Nutzer:innen läuft auch nichts“, sagt Sonja Schukat. Sie ist als Projektleiterin an der Volkshochschule Brunsbüttel in Schleswig-Holstein tätig und für viele Bereiche zuständig: Gesellschaft und Leben, Sprachen und Verständigung, Kultur und Kreativität, Atrium und Gästeführungen.
Fragen stellen
„Obwohl sich die Kurse an alle Altersgruppen richten, nehmen jüngere Menschen die VHS eher als verstaubt und als Ort für ältere Zielgruppen wahr“, beobachtet Sonja Schukat. „Wir wollten mit jungen Menschen enger ins Gespräch kommen, im Grunde mit der gesamten Bevölkerung von Brunsbüttel. Wir haben gefragt, was sich die Bewohner:innen von der VHS wünschen und womit es hier konkret weitergehen kann. Durch aktive bürgerliche Teilhabe soll die VHS zu einem lebendigen „dritten Ort“ für ALLE Brunsbütteler:innen werden.“ Welche Rolle dieser „dritte Ort“ spielen soll, vor allem in den kleinen Gemeinden, hat die ZEIT so beschrieben: „Wo sich die Leute von der Kirche entfremden, wo Kinos rar und Cafés teuer sind, wird die Volkshochschule zu einem Treffpunkt der Aktiven, die nach intellektuellem Austausch suchen, nach Anregung und – ja, auch nach Kontakten.“
Ideenwettbewerb MITEINANDER REDEN
Durch den Corona-bedingten Langzeit-Ausfall von VHS-Angeboten war der Draht zu den Nutzer:innen etwas abgerissen, erzählt Schukat im Interview. Außerdem fehlten finanzielle Ressourcen, um neue Inhalte und Angebote in der VHS zu planen. Bis Sonja Schukat vom Programm „MITEINANDER-REDEN“ der Bundeszentrale für politische Bildung hörte – einem bundesweiten Ideenwettbewerb zur Demokratieentwicklung im ländlichen Raum. Er soll Akteur:innen dabei, Bewohner:innen zur politischen Teilhabe zu motivieren, d. h. konkret: Zukunftsgestaltung, Generationendialog, Digitalisierung, Medienkompetenz und Zusammenhalt in der Nachbarschaft. Erste Ideen wurden bereits im Rahmen einer Nachbarschaftswerkstatt gesammelt.
Relevanz in der Zukunft
Um ihrer VHS neue Impulse zu geben und engeren Kontakt zu ihren Nutzerinnen zu erhalten, hat Sonja Schukat das Projekt VHS 2025 ins Leben gerufen und im Programm „MITEINANDER-REDEN“ eingereicht. Im Herbst 2021 erhielt sie die Zusage, etwa zwei Jahre lang herauszufinden, welchen Nutzen und welche Relevanz die Volkshochschule in Zukunft haben wird, vor allem bei jungen Menschen. Das Projekt ist eines von insgesamt 100 Vorhaben, die im Programm „MITEINANDER-REDEN“ der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert werden.
Nutzerperspektive schärfen
Zunächst gab es eine schriftliche Befragung über Fragebögen, die im VHS-Programm in die Haushalte verschickt wurde. Nach deren Auswertung trommelte Sonja Schukat Kolleg:innen zusammen und engagierte ein Moderatorentandem für mehrere Workshops. Mit der Methode „Design Thinking“ wurden Nutzer:innen, Nichtnutzer:innen und potentielle Neunutzer:innen nach ihren Wünschen und Bedarfen befragt: Welche Angebote, Themen und Aushandlungsprozesse könnte die VHS zukünftig bieten? Aus den Vorschlägen und Ideen wurden passende Formate entwickelt, über Raumgestaltung nachgedacht und neue Medien-Kanäle geschaffen. Mit einem Facebook- und Instagram-Profil und mit originellen Kampagnen können nun vor allem jüngere Zielgruppen erreicht werden. Eine günstige VHS-Mitgliedschaft bietet zugleich eine Rücktrittsversicherung, um Kurse auch kurzfristig kostenlos zu stornieren. Schukat erfuhr durch Befragungen, dass seit Corona der Bedarf für diese Serviceleistung stark gewachsen ist.
Effekte und Wirkungen
Mit der Methode Design Thinking konnten die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer:innen gut ermittelt und erfasst werden. Nach außen schärften die Mitarbeiter:innen der VHS ihre Perspektive für neue Nutzergruppen, nach innen für die Organisationsentwicklung in ihrem Team und die Rollen- und Aufgabenverteilung: Wer übernimmt was bis wann? Der Zusammenhalt und die gegenseitige Wertschätzung sind dadurch auch gewachsen sowie die Motivation, auch in Zukunft Augen und Ohren näher an den Zielgruppen zu haben.
RegionaleS Profil
Alle Volkshochschulen in Deutschland sind regional verankert und können auf diesen Standortvorteil mit speziellen und passenden Angeboten reagieren. Ein Schwerpunkt der VHS Brunsbüttel ist die berufsorientierte Weiterbildung (z.B. IHK-Weiterbildung zum Industriemeister, Fachwirt, techn. Betriebswirt, EDV, Sprachen). Als Partner der regionalen Wirtschaft und der Bundesanstalt für Arbeit hat die VHS Brunsbüttel in Zusammenarbeit mit der IHK zu Flensburg zahlreiche Fachkräfte ausgebildet, rund 1000 Chemikanten, Industriemeister, Industrie-/Handelsfachwirte und Technische Betriebswirte, darüber hinaus erwarben über 500 Teilnehmende die Ausbildereignungsprüfung, über 200 Firmenkurse wurden in den Bereichen EDV, Fremdsprachen und Gesundheit durchgeführt. Über 200 arbeitslose Jugendliche erwarben nachträglich ihren Hauptschulabschluss.
Potentiale für die Zukunft
In den Workshops von VHS 2025 entstand die Idee eines gegenseitigen Buddy- bzw. Patenschaftsmodells. Es wurde mit Fragebögen angetestet, musste dann allerdings verworfen werden. Der Aufwand wäre für die VHS im Moment zu groß gewesen, so Schukat. „Vielleicht greifen wir das zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf.“
Kulturangebote
Volkshochschulen sind nicht nur Orte des Lernens, sondern auch der Kultur. Daher finden in vielen Volkshochschulen Lesungen, Konzerte und Theateraufführungen statt. Diese Veranstaltungen tragen dazu bei, das kulturelle Angebot in der Region zu erweitern und schaffen zugleich einen Ort des Austauschs und der Begegnung. Die VHS betreibt außerdem das Kultur- und Tagungszentrum ELBEFORUM mit umfangreichem Theater- und Konzertprogramm und Kunstausstellungen in der Stadtgalerie. Mit derzeit rund 50.000 Besuchern pro Jahr (bei Kulturveranstaltungen, Tagungen, Messen, Festen und Feiern) ist das Haus eine der größten Veranstaltungsstätten in Schleswig-Holstein mit einer Kapazität von bis zu 800 Besuchern im großen Saal. Insgesamt 16 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 30 stundenweise Beschäftigte und rund 110 Dozenten sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Gesamtbetriebes.
Digitale Angebote
Viele Volkshochschulen bieten Online-Kurse und -Seminare, an denen man von zu Hause aus teilnehmen kann. Auch Anmeldung und Bezahlung erfolgen häufig online. Digitale Lernplattformen ermöglichen es den Teilnehmern, interaktiv zu lernen, sich mit anderen Kursteilnehmern auszutauschen und von überall auf der Welt auf das Kursangebot zugreifen. Kurse zu digitalen Themen sind gefragt, wie z. B. Programmierung, Webdesign oder Social Media Marketing.
Gesundheitskurse
Die Gesundheit ist heute ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität. In vielen Volkshochschulen gibt es deshalb Kurse zu Gesundheitsthemen wie Ernährung, Yoga oder Pilates. Auch spezielle Kurse für ältere Menschen, wie z. B. Gymnastik für Senioren, werden angeboten, um körperliche Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Kurse zu Nachhaltigkeit
Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind in den letzten Jahren immer präsenter geworden. Die Volkshochschulen haben darauf reagiert und bieten passende Kurse über Energieeffizienz, Müllvermeidung und ökologische Landwirtschaft an. Diese Kurse sollen dazu beitragen, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu fördern.
Deutschlandweites VHS-Netz
Laut Statista-Erhebung im Jahr 2021 gibt es deutschlandweit 858 Volkshochschulen. Es sind öffentlich geförderte, gemeinnützige Einrichtungen zur Erwachsenen- und Weiterbildung. Unabhängig vom Bildungsabschluss und Alter treffen hier Menschen mit ähnlichen Zielen aufeinander, die sich sonst nicht begegnen würden. Die Bedarfe der Kursteilnehmer haben sich Lauf der Jahre durchaus geändert. Neben Kursen, die zu Schulabschlüssen führen, sind heute Rückenschulen und Entspannungstechniken begehrt, Angebote, die beim Umgang mit PC und Handy helfen, Englisch und Fotografie. Geflüchtete und Zugewanderte belegen Deutsch- und Alphabetisierungskurse. In Großstädten sind die Angebote vielfältiger als im ländlichen Raum. Mehr bei Planet Wissen.
Politische Bildung
Wissen über Demokratie und Teilhabe erreichen die Menschen nicht nur über Kopf und Verstand, sondern auch über Emotionen und Herz. Die Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet daher seit langem mit Akteur:innen aus Kultur und Bildung zusammen. Das Programm „MITEINANDER-REDEN“ ist ein Ideenwettbewerb und zugleich ein Förder- und Qualifizierungsprogramm für Projekt-Initiator:innen, die ihre Vorhaben gemeinsam mit den Bewohner:inenn vor Ort umzusetzen. In einem wertschätzenden Dialog und in demokratischen Aushandlungsprozessen entstehen regionale Zukunftsvorhaben – von Bürger:innen für BürgerInnen. Das MITEINANDER-REDEN-Programm findet seit 2019 statt und fördert Projekte für jeweils 2 Jahre. Inzwischen läuft die dritte Neuauflage.
Prozessbegleitung
Ich bin seit 2019 als Prozessbegleiterin für das Programm MR tätig und unterstütze Ideenstifter und Projektträger bei der Durchführung und Umsetzung ihrer Vorhaben. In der aktuellen Phase betreue ich 12 Vorhaben, z. B. auch die Volkshochschule Brunsbüttel aus dem 2. Jahrgang 2021-2023 (Referenz VHS). Prozessbegleitung heißt: Ich coache und berate die Projekt-Akteur:innen und bringe dabei meine Erfahrungen aus 30 Jahren Kreativschaffen ein: Medienproduktionen, Projektmanagement, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Teamführung, Vernetzung und Beratung ein. Prozessbegleitung ist eine vielfältige Mischung aus Moderation, Coaching, Mediation, Supervision, Krisen- und Konfliktmanagement, Mentoring und inhaltlich-fachlicher Beratung. Ich ermutige die Akteur:innen zur aktiven Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens und zur Teilhabe. Ziele sind u. a. Selbstwirksamkeit und Resilienz zu erfahren, empathisches Zuhören und sachliches Miteinander-Aushandeln zu erlernen und zu erleben, ebenso lebensreale Methoden gegen Extremismus, Rassismus und Ausgrenzung zu erproben.
Die Akteur:innen schärfen ihr Bewusstsein mit Projekten, die sie in ihrer Region anbieten und gemeinsam mit anderen umsetzen, auch mit künstlerisch-kreativen Konzepten und Methoden.
Nach den ersten beiden Förderperiode 2019-2021/2021-2023 unterstütze ich in der aktuellen Förderperiode 2023-2024 acht neuen Vorhaben im Norden. Mehr über meine Projekte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg findet Ihr unter meinen Referenzen.
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