© Dominik Zemp
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Zauberhaftes Unternehmertum: Kunst und Management

Der Schweizer Dominik Zemp kontaktierte mich im Herbst 2016 für ein Interview zum Thema „Künstlerische Interventionsmethoden“ im Rahmen seiner Masterthesis an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich. Bei der Recherche seines Namens stellte ich fest, dass Zemp ein sehr talentierter Magier ist, der sein Publikum regelmäßig in Live-Shows und TV-Sendungen verzaubert. Hat seine Leidenschaft für das Zaubern die Wahl seines Masterstudienfaches beeinflusst? Ich habe Dominik Zemp interviewt.


  1. Herr Zemp, was fasziniert Sie am Zaubern? Wann und warum haben Sie damit begonnen?

Schon als Kind hat mich das scheinbar Unerklärliche fasziniert. Die Zauberei spielt mit den Urträumen der Menschheit. Würden wir nicht alle gerne wie David Copperfield über die Bühne fliegen? Heute interessiert mich weniger das Trickgeheimnis, sondern vielmehr die Inszenierung einer Zaubershow. Mit einer originellen Präsentation wird aus einem einfachen Trick ein wahres Kunststück, welches im besten Fall für den Zuschauer ein unvergessliches Erlebnis darstellt. Gute Zauberei kann demnach auch Kunst sein. Das muss der Ansporn sein.

  1. Was ist Ihre Spezialität beim Zaubern? Haben Sie einen besonderen Paradetrick, mit dem Sie Ihr Publikum verzaubern?

Ich bin Teil von einem Duo. Da treffen auf der Bühne zwei komplett unterschiedliche Charaktere aufeinander, das macht es für uns und für das Publikum spannend. Ich bin überzeugt, dass es weniger auf die Auswahl der Kunststücke ankommt, sondern vielmehr auf den Präsentationsstil und auf die Fähigkeit, eine Verbindung mit dem Publikum zu schaffen. Ich denke, die Zuschauer interessieren sich mehr für die Persönlichkeit des Bühnendarstellers als für einen Kartentrick.

  1. Für Ihre Masterarbeit befragen Sie Unternehmer und Experten, inwiefern einerseits analytisches Vorgehen und andererseits intuitive Entscheidungen wichtig sind – im Unternehmensalltag und bei künstlerischen Interventionen. Wie halten Sie es selbst als Zauberer und als magischer Unternehmer? Nutzen Sie eher die Analyse oder die Intuition oder beides gleichermaßen?

Bei einer ausschließlich analytischen Entscheidungsfindung wäre ich erst gar nicht Zauberer geworden… Da gäbe es rational gesehen sicherere Jobs. Ich kann mich glücklich schätzen, dass meine Familie meinen Wunsch zu zaubern von Beginn an unterstützt hat. Ich bin daher in einem Umfeld aufgewachsen, welches solche unkonventionellen Ideen und Berufswege begünstigt. Die Schaffung solcher Freiräume ist für die Entfaltung von Intuition eine wichtige Voraussetzung.

Als selbstständiger Zauberkünstler ist unternehmerisches Denken aber natürlich sehr wichtig. Dazu gehört – im Sinne einer möglichst umfassenden Entscheidungsfindung – die Berücksichtigung von Intuition und Ratio. Ich entscheide dabei aber jeweils in Abhängigkeit der situativen Bedingung entweder eher intuitiv oder analytisch. So wäre beispielweise bei der Entwicklung einer neuen Zaubernummer ein rein analytisches Vorgehen nur bis zu einem gewissen Grad zielführend: Zwar analysieren wir im Vorfeld ausführlich, welches die qualitativ besten Requisiten sind. Bei der Umsetzung verlassen wir uns aber auf unser Bauchgefühl, also auf unser implizites Wissen. Durch unsere Erfahrung wissen wir in der Regel recht gut, was beim Publikum ankommt. Ohne genau sagen zu können, warum dem so ist.

zauberduo_show1 © Dominik Zemp

  1. Sie haben nach der Schule zunächst Business Administration studiert. Mit dem Ziel, dass Sie sich als Künstler/Magier unternehmerisches Rüstzeug aneignen wollten oder weil es doch nicht ganz leicht ist, die eigene Leidenschaft zum Beruf zu machen?

Ich habe nie eine Bankenkarriere angestrebt, sondern wollte schon immer meine eigene Unternehmung aufbauen. Deshalb habe ich Betriebswirtschaft studiert. Schon als 8-jähriger habe ich mein erstes Business gegründet und den Bekannten selbstgemachte Tortillas verkauft. Einige Jahre später habe ich in der Garage meiner Eltern das weltkleinste Zaubertheater eröffnet. So ging es immer weiter. Ich sehe mich deshalb mehr als Unternehmer als Zauberkünstler. Mittlerweise zum Glück erfolgreicher als in den Anfangszeiten!

Arts Management

  1. Nach dem Bachelor haben Sie nun als Masterstudium „Arts Management“ gewählt. Damit haben Sie sich doch wieder mehr dem künstlerischen Metier angenähert. Worauf fokussieren Sie sich im Studium im Einzelnen?

Mir ging es bei der Wahl dieses Studiums darum, zu verstehen, wie ein Kulturbetrieb geführt wird. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft spielt im Kulturmanagement der öffentliche Sektor eine wichtige Rolle. Das war neu für mich und spannend. Als Berufszauberer ist mir dabei schnell klargeworden, dass ich zur Populärkultur gehöre, will heißen: Wenn ich von der Zauberei leben will, muss ich gewinnbringend operieren. Betriebswirtschaftliche Überlegungen stehen deshalb im Zentrum meines Handels: Ich richte das Angebot der Nachfrage aus und unternehme entsprechende Marketingmaßnahmen, um den Umsatz zu fördern. Durch das Studium in Arts Management habe ich aber auch realisiert, dass es die Hochkultur braucht, auch wenn ich die Verteilung der öffentlichen Gelder sehr kritisch betrachte. Die Erkenntnis, dass Kunstprojekte nicht zwingend gewinnbringend sein müssen, hat mich entsprechend sensibilisiert.

Künstlertum und Unternehmertum

  1. Sehen Sie persönlich im alltäglichen Umfeld und nach Ihren bisherigen Erfahrungen im Studium bzw. auch in Praktika eher Unterschiede oder eher Gemeinsamkeiten zwischen Künstlertum und Unternehmertum?

Ich empfehle jedem Künstler ein Studium in Betriebswirtschaft und umgekehrt. So bin ich heute überzeugt, können Unternehmer auch viel von den künstlerischen Disziplinen lernen. Es gibt sicher gewisse Berührungspunkte zwischen der Unternehmer- und der Kunstwelt.

Ich persönlich bin der Meinung, dass ein erfolgreicher Künstler automatisch ein Unternehmer ist. Klar stellt sich hierbei die Frage, was man als „erfolgreich“ definiert. Bedeutet erfolgreich sein, dass man sich mit seiner Kunst verwirklicht, andere Leute inspiriert und ihnen Freude bereitet? Bestimmt. Gibt es dabei auch Wege, dies selbstständig und unabhängig von öffentlichen Geldern zu erreichen? Diese Frage dürften sich meiner Meinung nach mehr Künstler stellen. Hier fehlt mir zum Teil der Mut, ein unternehmerisches Risiko einzugehen.

  1. Wäre es Ihrer Meinung nach erstrebenswert, dass sich das Unternehmertum stärker an den Methoden und am Vorgehen eines Künstlers orientiert? Also, dass ein Unternehmer seine Geschäftsidee immer wieder nachgebessert und ausfeilt, so wie ein Künstler es bei seinem Werk tut, und: dass er vor allem offen für Überraschungen und Veränderungen ist, für das „Ungesuchte“. Die meisten Erfindungen wurden ja auch eher zufällig gemacht …

Ein Unternehmer ist gezwungen, seine Geschäftstätigkeit laufend zu hinterfragen und muss bei Bedarf umgehend reagieren, um langfristig seine Existenz zu sichern. Hierzu fällt mir folgender Satz ein: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“ Ich sehe es in diesem Zusammenhang aber weniger, dass hierfür Künstler als Vorbild dienen sollen. Ein Künstler sieht sich wohl in erster Linie vor allem seiner Kunst selbst verpflichtet, der Unternehmer hingegen seinen Mitarbeitenden und allen anderen Stakeholdern. Die Kunst ermöglicht dem Unternehmer jedoch einen Perspektivenwechsel. Wie gesagt, ist die Reflexionsfähigkeit sehr wichtig. Hierfür eignet sich die Kunst wunderbar. Sie bringt eine Außenansicht, die konsequent und nicht verbiegbar ist.

Künstlerische Interventionsmethoden

  1. Sie schreiben derzeit eine Masterarbeit zum Thema «Produktive Potentiale intuitiver Entscheidungsfindung durch gezielte Interventionen – Eine theoretische und empirische Untersuchung
zur Beeinflussung von Intuition durch künstlerische Interventionsmethoden». Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Aufgrund der zunehmenden Notwendigkeit von Unternehmen, innovationsfähig zu sein, um im dynamischen und komplexen Wettbewerb erfolgreich zu agieren, kommt der Intuition als Führungskompetenz besondere Bedeutung zu. Insbesondere im Bereich der Entscheidungsfindung ermöglicht ein intuitives Verhalten einen zielführenden Umgang mit Komplexität und Unsicherheit. Um das Potenzial intuitiver Entscheidungen für das Unternehmen nutzbar zu machen, ist daher die Intuitionskompetenz der Entscheidungsträger zu entwickeln. Hierfür bieten sich – wie bereits erwähnt – künstlerische Interventionen an, da sie durch die Erzeugung eines Perspektivenwechsels den Erfahrungshorizont in vielfältiger Weise aufbrechen und erweitern.

  1. Wie schätzen Sie selbst die zukünftigen Chancen für künstlerische Interventionen ein? Sind die Unternehmer in Zeiten der Transformation und des Wandels offen für künstlerische Methoden oder warum sollten sie diesen Methoden offen gegenüberstehen?

Meine Untersuchung hat ergeben, dass Intuition als notwendiges Merkmal der Entscheidungsfindung sowohl in der Forschung wie auch in den Unternehmen in ihrer Bedeutung erkannt wird. Doch hinsichtlich der Förderung von Intuition besteht noch ein hoher Aufklärungsbedarf. Aufgrund der Tatsache, dass künstlerische Interventionen bestehende Denk- und Sichtweisen aufbrechen und Erfahrungen ausweiten können, was die Befragten auch als Grundaspekt für Intuition angeben haben, wäre demnach genau hier anzusetzen. Es muss der Zusammenhang einer künstlerischen Intervention und den daraus resultierenden Benefit für das Unternehmen klar aufgezeigt werden. Dies könnte dann zu einer gezielteren Inanspruchnahme künstlerischer Interventionen beitragen und Vorurteile verhindern.

  1. Unsere Welt wandelt sich von einer Industriegesellschaft zu einer postmaterialistischen Wissens- und Informationsgesellschaft. Was verbinden Sie mit dem Begriff des Immateriellen? Welchen Wert hat das Immaterielle für Sie persönlich?

Besonders in Volkswirtschaften mit einem ausgeprägten, wachsenden Dienstleitungssektor und entsprechend kompetitiven Märkten gehört der Faktor Innovation zu den wichtigsten Wachstumstreibern einer Organisation. Intuition und Kreativität gelten dabei als zentrale Voraussetzung für Innovation. Diese Fähigkeiten werden folglich als strategisches Differenzierungsmerkmal und Erfolgsfaktor immer wichtiger. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass es sich bei der Intuition und Kreativität um Kompetenzen handelt, welche erlernbar sind und man entsprechend fördern kann – auch wenn sie als solche nicht greifbar sind.

Das Immaterielle ist mir persönlich sehr wichtig, nicht zuletzt in meiner Tätigkeit als Zauberer. Das nicht greifbare, scheinbar Unerklärliche ist und bleibt meine Faszination und ist heute quasi mein Geschäftsmodell.

dominik_1 © Dominik Zemp

Magier und Kultur-Unternehmer

  1. Wie sehen Ihre persönlichen Zukunftspläne aus? Planen Sie ein Unternehmertum als Magier oder ein zauberhaftes Unternehmertum als klassischer Business-Administrator?

In Sachen Zauberei bin ich derzeit mit meinem Bühnenpartner daran, ein neues abendfüllendes Programm zu entwickeln, mit welchem wir ab Herbst 2017 landesweit auf Tournee gehen. Wir hinterfragen dabei alle bestehenden Kunststücke, konzipieren neue Illusionen und suchen nach spannenden Geschichten. Ich liebe diesen kreativen Prozess.

Abseits der Bühne will ich nach Abschluss meines Masterstudiums weiterhin an der Schnittstelle zwischen Unternehmertum und Kultur tätig sein. Ich kann mir vorstellen, im Bereich Kulturmanagement eine Stelle anzutreten oder ich mache mich im Bereich Künstlermanagement selbstständig. Sicher ist nur eines: Ich werde bei der Entscheidungsfindung (auch) auf mein Bauchgefühl hören.


Dominik Zemp stammt aus Bern. In Zürich hat er seinen Bachelor in Business Administration erfolgreich abgeschlossen. Zur Zeit absolviert er den Masterstudiengang „Arts Management“ und untersucht in seiner Masterthesis, wie sich künstlerische Interventionsmethoden auf die Intuition (und folglich auf die Innovationsleistung) von Mitarbeitenden auswirkt. Der komplette Titel der Thesis lautet: «Produktive Potentiale intuitiver Entscheidungsfindung durch gezielte Interventionen – Eine theoretische und empirische Untersuchung 
zur Beeinflussung von Intuition durch künstlerische Interventionsmethoden». Seine große Leidenschaft gehört der Magie: Zauberduo.ch


Zauberhaftes Unternehmertum: Kunst und Management

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