Zeitenwende: Mitmach-Theater in Wahrenberg
Norbert Krebber versteht sich als Menschengärtner. Der Umweltbildner und Landschaftsarchitekt weiß, wie er mit anderen ins Gespräch kommen und motivieren kann. Immer geht es ihm um das Miteinander und um die Beteiligung aller. Auf seinem Elbehof im Dorf Wahrenberg in Sachsen-Anhalt unweit von Wittenberge bietet er den Menschen gemeinschaftliche Erlebnisse. Seine Liebe zur Natur, zum Garten und zum Theaterspiel treibt ihn an. Theater und Garten gehören für ihn unmittelbar zusammen.
Zukunftswerkstatt im theater
Auf dem Elbehof hat auch Norberts Verein eine Heimat gefunden. Mit dem Vitos e.V. möchte er die Bewohner:innen im Dorf aktivieren, neue Ideen umzusetzen und etwas zu bewegen, Jung und Alt gemeinsam. Seine Angebote über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden dankbar angenommen, z. B. sich zu erinnern, nachzudenken, zusammen zu lachen, Pläne zu schmieden. Auch auf der Theaterbühne. Am 3. Oktober 2023 hat Norbert gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten und Schauspieler Jürgen Reeker im Dorfsaal des Elbehofes ein Theaterstück auf die Bühne gebracht. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Format der „Zukunftswerkstatt“. Die Besucher:innen werden eingebunden und kommen miteinander ins Gespräch. Was mochten wir früher? Wie soll das Dorf morgen aussehen? Welche Wünsche und Hoffnungen habt ihr, welche Ängste belasten Euch? Das fragt Norbert die Dorfbewohner:innen – im Theater ebenso wie im Garten.
Zukunft und Zusammenhalt
Den Titel des Stücks hat Norbert bewusst gewählt: „Schon wieder Zeitenwende“. Wo die einen Potenziale und neue Möglichkeiten sehen, empfinden andere gesellschaftliche Veränderungen als Bedrohung und Last: Klimakrise und Krieg, Energiewende und Fachkräftemangel. Statt Abwanderung und Verödung sollte es mehr Aktionen und Zusammenhalt im Dorf geben! – findet Norbert. Ich frage ihn, inwiefern Theater helfen kann?
innere Haltung
„Theater ist ein eigener Kosmos, aus dem eine ganz eigene Kraft entstehen kann“, sagt Norbert. Deshalb hat er das ganze Dorf eingeladen, ebenso die Nachbarorte. „Theater ist auch Brot und Nahrung. Das ist die Basis, das ist unsere Kultur. Also das, was wir Menschen miteinander haben und pflegen. Worüber wollen wir uns austauschen? Wie weit wollen wir gemeinsam gehen? Welche Grenzen wollen wir setzen? Wollen wir den Raum klein machen oder öffnen? Wollen wir andere Menschen hineinlassen oder nicht?“ Diese Fragen stellt Norbert zunächst mal sich selbst: „Bevor ich solche Diskussionen führe, muss ich ja erstmal eine innere Haltung dazu haben. Das ist das große Welten-Menschenspiel. Das Dorf wird dabei zur Bühne und zu dicken Brettern, die man überall bohren muss.“
am gartenzaun
Nicht nur aus Wahrenberg kommen die Besucher:innen, sogar aus Ludwiglust, Gartow und Berlin. Die Aktivitäten auf dem Elbehof rund um Umwelt, Bildung und Zukunftsthemen haben sich herumgesprochen. Und so nutzen einige Gäste den Feiertag am 3. Oktober nicht nur zum Fahrradfahren an der Elbe, sondern auch zum neugierigen Vorbeischauen auf dem Elbehof. Worüber sprechen die da auf der Theaterbühne am 33. Tag der deutsch-deutschen Wiedervereinigung? „War nun früher alles besser oder nicht“, fragen die beiden Protagonisten Norbert Krebber und Jürgen Reeker – mal auf der Bühne, mal mitten im Saal zwischen den Gästen. Schon im Vorfeld der Aufführung haben die beiden das Gespräch am Gartenzaun gesucht und genauer nachgefragt: Was genau war denn besser? Was können wir wieder aufleben lassen? Worauf wollen wir verzichten? Was sollen wir neu erfinden? Was braucht Wahrenberg noch? Eine Bäckerei? Ein Elektromobil? Mehr Zusammenhalt? Gelebte Nachhaltigkeit? Und wie geht das im Alltag?
PODCAST-Interview mit Norbert Krebber
jäten und reden
Norbert sagt: „Wir müssen uns die richtigen Fragen stellen. Und die Fragen, die können wir uns im Garten stellen. Miteinander jätend, und erntend können wir miteinander reden und schauen, was wir auf die Bühne bringen und am Ende ernten wollen.“ Theater und Garten gehören für Norbert unmittelbar zusammen. Mit dem Kabarett „Dorfflegel“ erzählen Norbert und Jürgen die Geschichten der Dorfbewohner:innen aus ihrer Perspektive: Zeitenwende… Zwei Leute, zwei Meinungen… Inwiefern war es früher besser… Und heute? Zukunft trifft auf alte Bretter. Zusätzlich sammeln die beiden beim Mitmach-Theaterstück weitere Stimmen und Ideen der Dorfbewohner:innen ein. Geschickt verpacken sie in ihrer Aufführung die „Zukunftswerkstatt“. Das Publikum darf und soll sie mitgestalten und dabei lautstark motzen, staunen und machen. Die Dorfbewohner:innen erleben ihren Alltag neu durch die Brille des (Schau-)Spiels. Wie der Perspektivwechsel den Zusammenhalt im Dorf stärkt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Demokratieprojekt
Ermöglicht wird das Projekt von MITEINANDER REDEN der Bundeszentrale für politische Bildung. Das Programm fördert für jeweils zwei Jahre niedrigschwellig Vorhaben im ländlichen Raum. Es unterstützt und bildet Akteur:innen fort, die Ideen, Teilhabe und Selbstwirksamkeit stärken – gemeinsam mit anderen Bewohner:innen. Seit 2019 wurden über 300 Projekte von MITEINANDER REDEN auf den Weg gebracht. Die meisten werden nach dem Ende der Förderung nachhaltig weitergeführt.
Generationentheater
Die Ideen gehen auch dem engagierten Dorfflüsterer Norbert Krebber nicht aus. Neben der Zukunftswerkstatt und dem Theaterprojekt hat er ein Tischtennisturnier ins Leben gerufen, bei dem die Teilnehmer:innen gleichzeitig mit Bällen und Worten jonglieren dürfen. Als eine Rentnerin ein Heimatgedicht vorträgt, ist die Begeisterung so groß, dass ihr spontan bei einer Improvisation der 1. Wahrenberger Literaturpreis verliehen wird, den es bis dahin noch gar nicht gab. Norbert Krebbers engagiert sich für ein weltoffenes Dorf, das zukunftszugewandt ist. Sein großer Wunsch ist ein Generationentheater, in dem Kinder, Erwachsene und Senioren gemeinsam auf der Bühne stehen. Denn: Kultur öffnet Welten!
PROZESSBEGLEITUNG
Ich bin seit 2019 als Prozessbegleiterin für das Programm MR tätig und unterstütze Ideenstifter und Projektträger bei der Durchführung und Umsetzung ihrer Vorhaben. In der aktuellen Phase betreue ich 12 Vorhaben, z. B. auch die Volkshochschule Brunsbüttel aus dem 2. Jahrgang 2021-2023 (Referenz VHS). Prozessbegleitung heißt: Ich coache und berate die Projekt-Akteur:innen und bringe dabei meine Erfahrungen aus 30 Jahren Kreativschaffen ein: Medienproduktionen, Projektmanagement, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Teamführung, Vernetzung und Beratung ein. Prozessbegleitung ist eine vielfältige Mischung aus Moderation, Coaching, Mediation, Supervision, Krisen- und Konfliktmanagement, Mentoring und inhaltlich-fachlicher Beratung. Ich ermutige die Akteur:innen zur aktiven Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens und zur Teilhabe. Ziele sind u. a. Selbstwirksamkeit und Resilienz zu erfahren, empathisches Zuhören und sachliches Miteinander-Aushandeln zu erlernen und zu erleben, ebenso lebensreale Methoden gegen Extremismus, Rassismus und Ausgrenzung zu erproben.
Die Akteur:innen schärfen ihr Bewusstsein mit Projekten, die sie in ihrer Region anbieten und gemeinsam mit anderen umsetzen, auch mit künstlerisch-kreativen Konzepten und Methoden.
Nach den ersten beiden Förderperiode 2019-2021 sowie 2021-2023 unterstütze ich in der aktuellen Förderperiode 2023-2024 neun neue Vorhaben im Norden. Mehr über meine Projekte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Sachsen-Anhalt siehe Referenzen.