Madlen Gardow (li) und Anna Karolina Kaczmarczyk (rechts)
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Bücher mal anders: divers, szenisch, bunt

Ländliche Regionen stehen oft vor besonderen Herausforderungen. Die Bevölkerung altert, junge Menschen wandern ab. Für die Bewohner:innen ist der Zugang zu Bildung und Kultur mühsam bzw. erschwert, ebenso zu sozialen und öffentlichen Einrichtungen. Manche Menschen fühlen sich isoliert und entfremdet. Sie wünschen sich mehr demokratische Teilhabe und wollen in Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Es braucht daher Plattformen für Austausch und Mitgestaltung. Projekte und Initiativen, die den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen fördern, sind hier besonders wertvoll.

Vielfalt erfahrbar machen

Ein innovatives Projekt im Wendland im Landkreis Lüchow-Dannenberg widmet sich seit 2023 dem Thema Vielfalt. Unter dem Motto Bücher mal anders –  divers, szenisch, bunt! regen die Initiator:innnen dazu an, mit Hilfe von Büchern über Vielfalt und Ausgrenzung zu reden. Das Projekt möchte zugleich aufmerksam und sensibel für diskriminierende Strukturen und diskriminierendes Verhalten machen. Es geht um Situationen, die vielen von uns im persönlichen oder gesellschaftlichen Umfeld begegnen: Unverständnis für andere Menschen, Abwertung sowohl in sozialer und kultureller Hinsicht als auch politisch und wirtschaftlich, z. B. in Bezug auf Herkunft, Geschlecht, Sexualität, Behinderung bzw. körperliche oder geistige Einschränkung. Durch das Lesen und Sprechen über Bücher diskutieren die Teilnehmer:innen im Projekt über eigene Möglichkeiten, wie sie Ausgrenzung, Rassismus oder Sexismus entschieden entgegentreten können.

Projektidee

Bücher eignen sich hervorragend, um über wichtige gesellschaftliche Themen zu sprechen, zum Beispiel über Vielfalt und Ausgrenzung. Insbesondere Comics und Graphic Novels stehen im Projekt „Bücher mal anders“ im Zentrum, weil sie komplexe Sachverhalte auf eine visuell ansprechende und zugängliche Weise vermitteln können. Geschichten und Bilder schaffen ein Bewusstsein für die Bedeutung von Vielfalt und die Gefahren von Diskriminierung. „Bücher mal anders“ lädt dazu ein, mit Büchern darüber zu reflektieren, zu diskutieren und eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen.

Ideenstifter:innen

Die Idee zu „Bücher mal anders“ hatten Ingrid Holst und Madlen Gardow. Ingrid Holst ist als Gleichstellungsbeauftragte und Expertin für Geschlechterfragen im Landkreis Lüchow-Danneberg tätig. Madlen Gardow arbeitet in Lüneburg als Expertin und Beraterin für Vielfalts- und Ausgrenzungsthemen bei KADNON/diversu. KADNON steht für das „Kompetenzzentrum Antidiskriminierung Nord-Ost-Niedersachen“, das Zentrum betreibt eine Beratungsstelle für Betroffene von Diskriminierung. Madlen und Ingrid sind außerdem im „NAW“ verwurzelt, dem Netzwerk Antidiskriminierung Wendland. Das Bücherprojekt entstand aus diesem Netzwerk heraus. Jede:r im Netzwerk bringt die eigene Expertise und Logistik für Geschlechterfragen und für Vielfalts- und Ausgrenzungsthemen in das Bücherprojekt ein. Neben der reinen Buchlektüre soll Literatur als Werkzeug für sozialen Wandel dienen. Die Initiative zeigt, wie individuelles Engagement und fachliches Know-how zusammenkommen, um wichtige gesellschaftliche Impulse zu setzen.

Ziel und Anliegen von „Bücher mal anders“

„Bücher mal anders“ möchte ein breites Publikum erreichen und für Themen wie Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung sensibilisieren. Diskriminierung soll in all ihren Formen sichtbar gemacht werden, um ihr entschlossen entgegenzutreten. Mit sorgfältig ausgewählten Büchern werden Teilnehmer:innen dazu angeregt, über ihre eigenen Werte und Einstellungen nachzudenken und einen offenen, respektvollen Dialog zu führen.

Veranstaltungen, Formate, Zielgruppen

Die Angebote der Reihe sind vielfältig und genau auf die Zielgruppen zugeschnitten: mit interaktiven Lesungen, Workshops, Vorträgen, Weiterbildungen und Bücherkisten. Kreative Ansätze der Vermittlung machen Literatur aktuell, nahbar und lebendig. Kinder entdecken durch Bilderbücher neue Welten, sie begreifen Vielfalt als etwas Wertvolles und Selbstverständliches. Jugendliche und Erwachsene werden durch speziell ausgewählte Buchformate und mit kreativen Workshops dazu angeregt, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Dafür eignen sich z. B. Graphic Novels.

Empowerment für den ländlichen Raum

„Bücher mal anders“ spielt eine wichtige Rolle bei der Stärkung demokratischer Werte im ländlichen Raum. Das Projekt schafft einen Raum und Rahmen, damit Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammentreffen und in Dialog treten können: Erzieher und Pädagogen, Eltern und Großeltern, Kinder und Jugendliche, Expert:innen und Berater:innen. Damit trägt das Projekt zu einem offenen, inklusiven Gemeinschaftsgefühl bei. Es zeigt, dass Vielfalt das gesellschaftliche Miteinander bereichert. Diese Erfahrungen fördern das Verständnis und die Akzeptanz für unterschiedliche Lebensweisen und Meinungen – eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Das Projekt profitiert von der Zusammenarbeit mit lokalen Akteur:innen, wie Büchereien, Kitas, Schulen und sozialen Treffpunkten.

Jugendliche erreichen

Ein großer Wunsch der Ideenstifter:innen ist es, Jugendliche im ländlichen Raum zu erreichen. Ein besonderer Fokus liegt daher auf Comics und Graphic Novels. Sie dienen als innovative Brücke zwischen Kunst und Literatur, führen in andere Welten und eröffnen neue Perspektiven. Graphic Novels sind im Vergleich zu Comics etwas komplexere Bücher – sowohl thematisch als auch literarisch. Sie richten sich daher an etwas ältere Leser:innen und fordern die Jugendlichen heraus, sich vor allem mit Themen des Erwachsenwerdens auseinanderzusetzen.

Anna Karolina Kaczmarczyk

Kooperation mit Comic-Autorin

Anna Karolina Kaczmarczyk ist erfolgreiche Malerin, Illustratorin und Comic-Autorin, die seit einigen Jahren in Leipzig lebt. Sie hat mehr als 20 Comic-Bücher veröffentlicht, zum Beispiel „Długa historia – Eine lange Geschichte“ oder den augenzwinkernden Noir-Krimi mit Detektiv Hering „Detektyw Śledź Wyrolowany“. Manchmal veröffentlicht sie Comic-Bände gemeinsam mit anderen Autor:innen, zum Beispiel Własnim Głosem – „Mit meiner eigenen Stimme“. Aktuell arbeitet Anna an einem neuen Comic-Buch, in dem sie den Tod ihrer Großmutter verarbeitet, die in der Corona-Zeit starb.

Für das Projekt „Bücher mal anders“ hat Anna Karolina Kaczmarczyk gemeinsam mit Madlen Gardow Comic-Kisten für Jugendliche zusammengestellt und begleitende Handreichungen verfasst. Damit können sich Pädagog:innen u. a. über die Themen, Handlungen und Figuren in den Büchern informieren. Außerdem hat Anna einen Graphic-Novel-Workshop konzipiert, in dem Jugendliche nicht nur lesen, sondern auch selbst eine Bildergeschichte entwickeln können – mit einem Thema, das sie persönlich beschäftigt. Warum Anna Superhelden für Jugendliche wenig hilfreich findet, erzählt sie im Podcast-Interview, stellt darin ihre Unterstützung für das Bücherprojekt und ihre Arbeit als Comic-Autorin vor.

© Anna Karolina Kaczmarczyk: Własnim Głosem
© Anna Karolina Kaczmarczyk: Detektyw Śledź Wyrolowany
© Anna Karolina Kaczmarczyk: Długa historia

Rassismus in Kinderbüchern

Ein besonderer Workshop der Reihe „Bücher mal anders“ öffnet die Augen für subtile Botschaften in Kinderliteratur. Kinderbücher sind nicht nur Quellen der Unterhaltung und Bildung, sie können auch problematische Darstellungen enthalten bzw. Vorurteile und rassistische Stereotype transportieren. Daher werfen die Teilnehmer:innen in mehreren Workshops gemeinsam einen kritischen Blick auf Kinderbücher, um darin rassistische Inhalte zu identifizieren und zu reflektieren. Expert:innen zeigen Wege, wie Eltern und Erziehende mit ihren Kindern über komplexe Themen sprechen können. Der Workshop wurde von den drei OMAS (Steffi, Heike und Tosca) der Initiative OMAS GEGEN RECHTS Lüneburg konzipiert, die sich leidenschaftlich für eine vielfältige, demokratische Gesellschaft einsetzt. Das Konzept wird in Zusammenarbeit mit KADNON/diversu e.V. und dem Netzwerk Antidiskriminierung Wendland realisiert.

Förderung

„Bücher mal anders“ ist Teil des Programms MITEINANDER REDEN der Bundeszentrale für politische Bildung, es wurde aus über 600 Bewerbungen ausgewählt. Das Förderprogramm MITEINANDER REDEN unterstützt Projekte, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt im ländlichen Raum stärken. Im Podcast-Interview erzählt Madlen Gardow, inwiefern das Anliegen von „Bücher mal anders“ perfekt zu den Zielen von „MITEINANDER REDEN“ passt und wie das Programm sie konkret materiell und ideell unterstützt. Die Förderung ermöglicht es, vielfältige Formate anzubieten und so einen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und Zusammenhalt zu leisten.

Fortführung und Nachhaltigkeit

„Bücher mal anders“ soll über den Förderzeitraum 2023-2024 hinaus fortgesetzt werden. Interessierte Vereine, Gruppen, Initiativen können sich gerne an Madlen Gardow und das Netzwerk Antidiskriminierung Wendland wenden, um gemeinsam passende Angebote für verschiedene Altersgruppen zu entwickeln.

PROZESSBEGLEITUNG

Meine Rolle im Projekt: Seit 2019 bin ich als Prozessbegleiterin für das Programm „MITEINANDER REDEN“ tätig und unterstütze Ideenstifter und Projektträger bei der Durchführung und Umsetzung ihrer Vorhaben. Ich habe sehr unterschiedliche Vorhaben begleitet, z. B.
– die Volkshochschule Brunsbüttel, um neue Zielgruppen zu erreichen (Referenz VHS)
– einen Runden Tisch zwischen Landwirt:innen und Klimaschützer:innen in SH (Referenz)
– ein Generationenprojekt und eine Zukunftswerkstatt in MV (Referenz Bürgermeister / Johanniter)
– ein Theater-Umwelt-Projekt in Sachsen-Anhalt (Film, Podcast, Blogartikel)
– das Aktionstheater Pro Palaver für konstruktive Streitkultur in Niedersachsen (Referenz

Prozessbegleitung heißt: Ich berate, coache und vernetze die Projekt-Akteur:innen und bringe dabei meine Erfahrungen aus 30 Jahren Kreativschaffen ein: Medienproduktionen, Projektmanagement, Verlagsarbeit, Veranstaltungen, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Teamführung, Vernetzung und Beratung ein. Prozessbegleitung ist eine vielfältige Mischung aus Mentoring und Coaching, Moderation, Mediation und Supervision, Krisen- und Konfliktmanagement und inhaltlich-fachlicher Beratung. Ich ermutige die Akteur:innen zur aktiven Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens und zur Teilhabe. Ziele sind u. a. Selbstwirksamkeit und Resilienz zu erfahren, empathisches Zuhören und sachliches Miteinander-Aushandeln zu erlernen und zu erleben, ebenso lebensreale und wirksame Methoden gegen Extremismus, Rassismus und Ausgrenzung zu erproben.

Die Akteur:innen schärfen ihr Bewusstsein mit Projekten, die sie in ihrer Region bedarfsgerecht entwickeln und gemeinsam mit anderen umsetzen, häufig mit künstlerisch-kreativen Konzepten und Methoden.
Nach den ersten beiden Förderperiode 2019-2021 sowie 2021-2023 unterstütze ich in der Förderperiode 2023-2024 neun Vorhaben im Norden. Mehr über meine Projekte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Sachsen-Anhalt siehe Referenzen.

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