© Roswitha Rösch, Silberfuchs-Verlag

Gummi-Twist für Unternehmen: Nachhaltigkeit als Teamprojekt

Nachhaltigkeit ist längst ein Modewort geworden, bei näherer Betrachtung jedoch ein dehnbarer Gummi-Begriff. Er kann auf verschiedenste Lebensbereiche bezogen werden. Vielleicht versteht deshalb fast jeder etwas anderes darunter. Wie mittelständische Unternehmer ganz konkret im Firmenalltag nachhaltig handeln können, zeigen die von mir zusammengetragenen praktischen Beispiele.

Pragmatische Ideen für den Mittelstand

Großkonzerne setzen Nachhaltigkeit mit CSR, Corporate Social Responsibility, gleich. Sie betreiben Nachhaltigkeit nicht selten aus „Greenwashing“-Motiven heraus, aufgrund erhoffter Spitzen-Plätze bei Rankings oder mit dem Ziel, sich von moralischen Fehlern reinzuwaschen.

Dem Mittelstand helfen Worthülsen und Phrasen nicht weiter. Viele kleinere und mittlere Unternehmen handeln bereits heute nachhaltig – mit dem Ziel, für nachfolgende Generationen ein lebenswertes Umfeld vorhalten zu können. Sie engagieren sich regional, helfen Kindergärten und Schulen mit Sachspenden, unterstützen Sport- und Seniorenvereine, organisieren Stadtfeste und Kulturveranstaltungen mit. Auf diese Weise binden sie die Bevölkerung an sich, sowohl Erwachsene als auch Kinder. Mit Blick auf die zukünftige Gewinnung von Arbeits- und Fachkräften ist das wunderbar nachhaltig gedacht und auch gehandelt.

Regional denken und agieren, nachhaltig handeln

Wer an Nachhaltigkeit denkt, hat häufig den drohenden Klimawandel im Kopf. Er wird zwar seit Jahrzehnten auf weltumspannenden Konferenzen diskutiert, ihm entgegenwirken können vor allem regionale Aktivitäten. Auch hier ist der Mittelstand oft Vorreiter. Viele Unternehmen beziehen ihr Material oder ihre Lebensmittel für die Betriebsküche aus der Region. Der Mittelstand investiert vorbildlich in neue Technologien, auch wenn es sich zuweilen erst Jahre später rentiert. Beispiele: Der Bäcker gewinnt seinen Strom über ein eigenes Solardach. Der Taxiunternehmer rüstet seine Flotte auf Elektroautos um. Das Fitnesscenter speist mit der Muskelkraft aus Trimmrädern Ventilatoren.

Perspektivwechsel gegen Verlustängste

Mittelständler denken langfristig, tragen Verantwortung für ihr Umfeld und für die nächste Generation. Auch in der Bevölkerung ist ein Perspektivwechsel nötig und schon im Gange: Für die nach 1980 Geborenen der Y-Generation ist das Auto kein Statussymbol mehr. Es wird per „carsharing“ nur dann bewegt und genutzt, wenn es wirklich gebraucht wird. Teilen statt besitzen: Wer hätte das vor einigen Jahren prognostiziert?! Nachhaltig zu arbeiten und zu leben, heißt vor allem: im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen.

Umdenken und Wertewandel

Nach steigenden Burnout-Zahlen, nach Jahren der Über- und Unterforderung hat ein Umdenken und Wertewandel eingesetzt. Auch Arbeitszeit ist wertvolle Lebenszeit. Wer sich am Arbeitsplatz wohl fühlt, erbringt wesentlich bessere Leistungen. Wer arbeiten kann und dabei seine Familie nicht vernachlässigen muss, wer seine Tätigkeiten und Arbeitsabläufe versteht, wer seine Talente einsetzen kann, wer angehört, nach seiner Meinung gefragt und von Kollegen geachtet wird, ist zufrieden, motiviert, engagiert sich und bleibt nachhaltig gesund! Wer die Abläufe in der Firma nicht nachvollziehen kann, wer von Vorgesetzten und Mitarbeitern herumgeschubst wird, denkt nicht mehr mit, macht bestenfalls Dienst nach Vorschrift und endet nach kurzer (Lebens-)Zeit erschöpft und ausgebrannt.

Nachhaltigkeit als Teamarbeit

Auch Sie können in Ihrem Unternehmen etwas bewegen. Befragen Sie ihre Mitarbeiter! Keiner kennt seinen Arbeitsplatz so gut wie derjenige, der ihn jeden Tag mit seiner Kompetenz und Kraft ausfüllt. Das eigene Umfeld liegt uns näher als fremde Gefilde. Laden Sie Ihre Mitarbeiter zu einem Workshop zum Thema Nachhaltigkeit ein – mit der Anregung und Bitte, jeder möge sich eine These, Erklärung oder einen Satz überlegen, was er unter Nachhaltigkeit versteht. Geben Sie als Hilfe konkrete Begriffe vor, die auf Ihr Unternehmen passen:

Hier könnten Sie zum Beispiel ansetzen:
Arbeitsplatz, Arbeitsumfeld, Abläufe, Arbeitswege, Zeiteinteilung, Belastung durch E-Mails und Telefonate, Ernährung in der Firma, Material- und Energieverbrauch im Betrieb, Transportwege, Dauer und Zeitpunkt von Arbeitsbesprechungen und Sitzungen, Bestell-Abläufe, Kundenkontakt, Personal, Neueinstellungen, Einarbeitung, Urlaubs- und Krankheitsvertretung.

Lassen Sie Ihre Mitarbeiter ihre Ideen auf bunte Karten schreiben und an eine Pinnwand in der Kantine heften. Treffen Sie sich dort, sprechen Sie über die Vorschläge und darüber, wer sich wie und bis wann für die Realisierung der Ideen einsetzt. Legen Sie ein weiteres Treffen fest, in dem Sie über Ergebnisse, Schwierigkeiten und Lösungen sprechen. Je konkreter die Ideen, umso leichter lassen sie sich verwirklichen.

Medien ins Boot holen

In diesem Jahr geht die Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ zu Ende. Vielleicht finden die Impulstreffen über Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen sogar einen Weg in die Lokalpresse, wenn Sie einem Journalisten darüber berichten …

Bei näherem Hinsehen ist Nachhaltigkeit gar nicht so abstrakt, im Gegenteil: Nachhaltig zu handeln bedeutet schlicht, umsichtig und achtsam zu sein: mit sich selbst und seinen Mitmenschen, mit den Ressourcen und der Natur. Es geht nicht um Verzicht, um Grabenkämpfe oder um eine Weltanschauung, sondern um gesunden Menschenverstand. Haben Sie Mut zu Veränderungen und machen Sie mit!

Antje Hinz

„Wenn wir keinen Planeten haben, geht es der Wirtschaft nicht gut.“
Al Gore, ehemaliger US-Vizepräsident und Friedensnobelpreisträger

Inspirationstipps:

• Vom 30. Mai bis 5. Juni 2015 finden die deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit des „Rates für Nachhaltige Entwicklung“ sowie die Europäische Nachhaltigkeitswoche statt. Ziel der europäischen Initiative ist es, den vielen Projekte und Leistungen für nachhaltige Entwicklung und der Vielfalt von Akteuren mehr Sichtbarkeit zu verleihen.

• Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt, München 2011

• Interaktives Wissensportal zum Thema Nachhaltigkeit: www.zukunft-leben-nachhaltigkeit.org

• Jeremy Rifkin: Die Null Grenzenkosten Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus, Frankfurt 2014

• Hauptgutachten Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, hg. v. Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU, Berlin 2011.

• Corinna Hessse: „zukunft|leben – Wissen aktuell: Nachhaltigkeit“, Hörbuch/CD hg. 2015 vom Silberfuchs-Verlag in Kooperation mit den Landeszentralen für politische Bildung (Hörproben anhören)

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